Mikrobiologie
Antibiogramm
Allgemeine Hinweise
Eine sinnvolle, gezielte und wirtschaftliche Antibiotikatherapie setzt in der Regel eine Empfindlichkeitsprüfung der kulturell nachgewiesenen Erreger voraus. Neben primären Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika tragen die Erreger häufig auch Resistenzen, die sie unter Therapie erworben haben, so dass unter Umständen wiederholte Bestimmungen des Antibiogramms notwendig werden.
Besonders wichtig sind diese Empfindlichkeitsprüfungen bei Sepsis, Meningitis, Endokarditis und Osteomyelitis, bei nosokomial erworbenen und chronischen Infektionen, bei Erregerwechsel unter der Therapie sowie bei ausbleibendem Therapieerfolg.
Methoden und Beurteilung
Wesentlich verlässlichere Ergebnisse als der weit verbreitete Blättchen-Diffusionstest liefert der - von uns seit 1994 in der Routine eingesetzte - quantitative Mikrodilutionstest als Breakpoint-Methode. Das Verfahren prüft das Keimwachstum bei definierten, klinisch relevanten Konzentrationen der einzelnen Antibiotika. Es basiert auf der Bestimmung der minimalen Hemmkonzentration (MHK), d. h. der Antibiotikum-Konzentration, die in vitro eben ausreicht, um das Bakterienwachstum zu hemmen. In besonders gelagerten Fällen (z. B. MRSA-, ESBL-Nachweis, Endokarditis) wird eine komplette MHK-Bestimmung durchgeführt. Geprüft werden von 1 mg/l ausgehende geometrische Konzentrationsreihen, z. B. 0,25 - 0,5 - 1 - 2 - 4 usw. mg/l. Die Werte sind sehr gut reproduzierbar.
Zur klinischen Interpretation wird die ermittelte MHK dem mikrobiologischen Wirkprofil, der Kinetik, Toxikologie und klinischen Wirksamkeit des Antibiotikums gegenübergestellt. Daraus ergibt sich die Eingruppierung in Empfindlichkeitsbereiche (nach EUCAST):
S =· "sensibel": Therapieerfolg zu erwarten mit üblicher Dosierung bei geeigneter Indikation
I =· "sensibel bei erhöhter Exposition" (englisch: Increased exposure): Therapieerfolg zu erwarten, sofern der Erreger einer höheren oder intensiveren Antibiotikaeinwirkung ausgesetzt wird, durch Erhöhung der Dosierung oder durch Konzentrierung am Infektionsort
R =· "resistent": Therapieerfolg nicht zu erwarten, auch nicht mit zugelassener Höchstdosierung
Die von uns erstellten Antibiogramme werden nach den genannten Grenzkonzentrationen (Breakpoints) schriftlich interpretiert. Bei Mischinfektionen sind die Wirkstoffe unterstrichen, die bei allen getesteten Keimen gleichzeitig wirksam sind. Die Antibiogramme werden EDV-gestützt auf ihre Plausibilität überprüft und durch den Facharzt für Mikrobiologie validiert. Die Auswahl der zu testenden Wirkstoffe treffen wir nach der Art des Untersuchungsmaterials und des Erregers, wobei die speziellen Kreuzresistenzen berücksichtigt werden. Wenn vom Einsender die therapeutisch eingesetzten Antibiotika (wünschenswerterweise) angegeben werden, werden diese in die Testung einbezogen oder gesondert kommentiert.
Antibiotikaklassen und Kreuzresistenz
Das Vorliegen bestimmter Resistenzen lässt mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass parallel auch eine Resistenz gegen andere, meist chemisch verwandte Wirkstoffe besteht. Obwohl Ausnahmen von solchen Regeln bei bestimmten Keimarten vorkommen, ergibt sich für die Praxis des Antibiogramms, dass bestimmte Testergebnisse auf andere Wirkstoffe übertragen werden können. Die wichtigsten dieser "Antibiotika-Klassen" sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt:
Antibiotika-Klasse | Untergruppe | Substanzen |
---|---|---|
Penicilline | Penicillin G (Benzylpenicillin), | |
Penicillin V | ||
(Pheoxymethylpenicillin) | ||
Aminopenicilline | Ampicillin, Amoxicillin | |
Penicillinase-feste Penicilline | Flucloxacillin | |
Acylureidopenicilline | Piperacillin, Mezlocillin | |
Cephalosporine | 1. Generation | Cefaclor, Cefazolin |
2. Generation | Cefadroxil Cefuroxim, | |
Cefotiam | ||
Generation 3a | Ceftriaxon, Cefotaxim | |
Generation 3b | Ceftazidim | |
4. Generation | Cefepim | |
Aminoglykoside | Gentamicin, | |
Amikacin, Tobramycin | ||
Tetracyline | Doxycyclin, Tetracyclin, | |
Minocyclin | ||
Fluorchinolone | Ciprofloxacin, Levofloxacin | |
Makrolide | Erythromycin, | |
Clarithromycin, | ||
Azithromycin | ||
Lincosamide | Clindamycin | |
Glykopeptide | Vancomycin, Teicoplanin |
Antibiogramm und Antibiotikum-Wahl
Die in-vitro-Befunde "sensibel" und "resistent" lassen nicht sicher auf die klinische Wirksamkeit des Antibiotikums schließen, da diese auch von der körpereigenen Abwehr, Infektionslokalisation u. a. Faktoren abhängt. Das Antibiogramm kann in der Regel nicht sagen, welches Antibiotikum das "beste" ist, sondern nur, welche Substanzen vermutlich nicht wirken. Der Befund "resistent" ("unempfindlich") bedeutet, dass der Erreger auch bei höchster Dosierung wahrscheinlich nicht erreichbar ist. "Sensibel" ("empfindlich") heißt, dass der Erreger meist mit Normaldosierung erreichbar ist.
"Sensibel bei erhöhter Exposition" ("I") bedeutet, dass der Erreger empfindlich ist, dass jedoch eine höhere Dosis zu verwenden ist, um einen Therapieerfolg zu erzielen. ("I" bedeutet keinesfalls eine schlechtere Wirksamkeit!)
Unter den Wirkstoffen, gegen die im Antibiogramm Sensibilität besteht, ist die Wahl des optimalen Präparates vor allem nach folgenden Kriterien zu treffen: therapeutische Wirkung (Bakteriostase/Bakterizidie, Pharmakokinetik, Wirkungsspektrum), Nebenwirkungen (Toxizität, Allergien, Normalflora-Zerstörung), klinische Bewährung, Wirtschaftlichkeit sowie unproblematische Anwendung (Applikationsform).
Antibiotika-Kombinationen sind manchmal für ein erweitertes Wirkungsspektrum bei Mischinfektionen, auch bei schweren Monoinfektionen zur Erzielung synergistischer Effekte erforderlich. Bei Kombinationstherapie muss immer auch die Möglichkeit antagonistischer und gleichgerichteter toxischer Effekte beachtet werden.
Diskrepanzen zwischen Antibiogramm und klinischem Verlauf:
Sensibler Erreger - klinisch dennoch Misserfolg:
· Abwehrschwäche, besonders Granulozytopenie
· Fremdkörper (Katheter, Implantate) mit Biofilmbildung
· nicht sanierter Fokus (z.B. Abszess)
· fehlende Bakterizidie
· unzureichende Resorption des Antibiotikums
· zu geringe Dosierung oder inadäquate Applikationsform
· Antagonismus durch Kombination
· Resistenzentwicklung unter Therapie
· "Erreger" war nicht Erreger, sondern Kontaminant
Resistenter Erreger - klinisch dennoch Erfolg:
· besonders gut zugängliches Kompartiment, z. B. Harnwege
· Spontanheilung, z. B. bei Harnwegsinfekten
· "Erreger" war nicht Erreger, sondern Kontaminant
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