Lyme-Borreliose
Zeitgemäße Diagnostik und sinnvolle Therapie
Die Lyme-Borreliose ist eine durch schraubenförmige Bakterien (Borrelia burgdorferi) hervorgerufene, häufige Infektionskrankheit. Sie wird durch Zeckenstiche, zumeist durch den Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus), hervorgerufen. Obwohl die Mehrzahl der Zeckenstiche folgenlos verläuft und keine Krankheit hervorruft, kommt es doch durch die hohe Gesamtzahl an Kontakten zu zahlreichen akuten, fortschreitenden und chronischen Borrelien-Infektionen. Sie können die Haut, das zentrale und periphere Nervensystem, die Gelenke und weitere innere Organe des Menschen befallen.
Einen guten Überblick liefert der Folienvortrag
Lyme-Borreliose: Erreger - Klinik - Diagnostik - Therapie.
Bei akuten Borrelien-Infektionen sind häufig noch keine Antikörper im Blut nachweisbar. Bei begründetem klinischem Verdacht muss deshalb eine antibiotische Behandlung unabhängig von einem Laborergebnis erfolgen. Gleichzeitig mit dem Therapiebeginn sollte aber immer eine Blutprobe für die Borrelienserologie abgenommen werden, um im späteren Verlauf auf einen „Leerwert“ zurückgreifen zu können. Bei chronischen Infektionen sind dagegen fast immer Antikörper nachweisbar. Sie persistieren aber auch bei ausgeheilten Infektionen oft noch sehr lange, obwohl keine Krankheitsaktivität mehr vorliegt.
Die Antikörperbestimmung (Borrelienserologie) wird in unserem Labor in einem Stufenschema durchgeführt:
Der Suchtest
Als Suchtests werden Enzymimmunoassays (EIAs) eingesetzt, die IgG- und IgM-Antikörper gegen B. burgdorferi quantitativ nachweisen. Sie sind wegen der Vielzahl möglicher Borreliensubspecies und zur Erreichung höchstmöglicher Empfindlichkeit und Spezifität mit einer wohlausgewogenen Komposition nativer und rekombinanter Antigene ausgestattet. Alle wichtigen Antigene wie z. B. das Outer surface Protein (OspC) oder das besonders stark immunogene und hochspezifische VlsE (variable major-protein-like sequence, expressed) sind hier vertreten. Die EIAs ergeben ein Messsignal, das in U/ml angegeben wird.
Der Bestätigungstest
Bei grenzwertigem oder positivem Ergebnis im Suchtest folgt zur Bestätigung und weiteren Differenzierung der Imunoblot (Westernblot), der die IgG- und IgM-Reaktion gegen die einzeln aufgeführten, rekombinanten Antigene erkennen lässt. Aus der relativen Reaktionsstärke und dem Muster der vertretenen Antigene lassen sich vom erfahrenen Untersucher schon viele wichtige Informationen ableiten, die in einem individuellen Befundkommentar, ggf. mit Therapieempfehlung, festgehalten werden.
Als besonders vorteilhaft für eine schnelle, sensitive und verlässliche Bestimmung der Borrelien-Antikörper hat sich der Einsatz von rekombinanten, also gentechnologisch hergestellten Tests herausgestellt. Sie erlauben eine viel genauer definierte und spezifischere Aussage als die herkömmlichen Vollantigen-Lysate aus angezüchteten Bakterien, weil sie viel weniger unspezifische und Kreuzreaktionen hervorrufen. In unserem Labor werden deshalb im Bestätigungstest ausschließlich rekombinanten bzw. synthetische Antigene eingesetzt, und zwar unter Nutzung eines Multiplexverfahrens mit der Luminex-Technologie; die Bindung der einzelnen Antigene auf jeweils eigenen Mikrosphären, sogenannten Beads, bringt eine noch weitergehende, signifikante Verbesserung gegenüber den herkömmlichen, membrangestützten Verfahren mit sich.
Nicht immer gelingt mit der aus oben beschriebenen, zweistufigen Borrelienserologie eine eindeutige Einschätzung der Infektionssituation. Im Akutfall fehlen Antikörper noch oft ganz oder sie sind noch nicht vollständig ausgebildet. Umgekehrt hinterlassen zurückliegende Infektionen oft eine sehr lange anhaltende serologische Immunreaktion (aber keine Immunität!). Eine Einschätzung einer Infektionsaktivität ist dann oft schwierig. Zwar sollten sich therapeutische Maßnahmen natürlich vorrangig am klinischen Befund orientieren, jedoch ist eine zusätzliche Information durch ergänzende Laboruntersuchungen oftmals willkommen. Hierfür haben wir in unserem Labor einen Bluttest entwickelt, der nicht Antikörper, sondern die Reaktionen des zellulären Immunsystems gegen Borrelienantigene nachweist, also vorwiegend eine Lymphozytenaktivierung. Dieser Test wird als Lymphozytentransformationstest (LTT) bezeichnet.
Da lebendige Blutzellen nachgewiesen werden, sind spezielle Blutentnahmeröhrchen nötig, sog. CPDA. Mit diesen Röhrchen, die Sie auf Anfrage bei uns erhalten, ist sogar ein Postversand ins Labor möglich. Sie können aber auch zur Blutentnahme ins Labor kommen. Wichtig: der LTT wird nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, sondern muss von Kassenpatienten selbst bezahlt werden.
Der LTT wird bei Frischinfektionen häufig schon früher positiv als die Serologie, flaut aber nach Ausheilung auch viel schneller wieder ab. Dadurch eignet er sich – bei gut kontrollierter Durchführung – sehr gut als Aktivitätsmarker bei unklarer Borrelienserologie.
In unserem Labor setzen wir für den LTT gentechnologisch hergestellte, rekombinante, hochreine Schlüsselantigene der Borrelien in mehreren, unterschiedlichen Konzentrationen ein. Hierdurch erhalten wir die bestmögliche Aussage, ohne von den Unspezifitäten unsauberer Rohantigene beeinträchtigt zu werden. Diese führen bei unsachgemäßem Gebrauch bekanntlich zu einer Vielzahl falsch positiver Befunde. Wir überprüfen auch, ob die Blutzellen im Test lebenstüchtig sind, immunologisch stimuliert werden können, und ob eine schon vorher vorhandene, nicht Borrelien-bedingte Immunstimulation vorliegt. Dadurch sind bei dem von uns eingesetzten Testverfahren sehr gute Voraussetzungen für einen sensitiven und gleichzeitig spezifischen Nachweis der zellulären Immunreaktion gegen Borrelien gegeben.
Zu jedem LTT erhalten Sie neben den eigentlichen Messwerten auch eine individuelle Beurteilung der Ergebnisse. Wichtig für eine korrekte Beurteilung ist aber in jedem Fall eine Zusammenführung klinischer, serologischer und anamnestischer Informationen, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Im Zweifelsfall wenden Sie sich bei Beratungsbedarf bitte gerne auch telefonisch direkt an uns.
Einen ausführlichen Überblick über den LTT-Test mit dokumentierten Untersuchungsergebnissen verschiedener Krankheitszustände aus unserer täglichen LTT-Diagnostik sowie Informationen zum ergänzenden CD57-Nachweis finden Sie in unserer entsprechenden Laborinformation LTT und CD57 Nachweis zur Diagnostik der Lyme Borreliose.
Neben dem Erreger Borrelia burdorferi und der spezifischen und unspezifischen, serologischen und zellulären Infektabwehr des Patienten spielen auch genetische Faktoren eine Rolle:
Patienten mit ganz bestimmten HLA-Genen tragen ein fast 10-fach erhöhtes Risiko einer therapieresistenten, chronischen Borrelieninfektion. Mit modernen, molekularbiologischen Techniken lassen sich Patienten mit diesen HLA-Risikomerkmalen sicher erkennen, so dass eine besonders sorgsame und wirksame Behandlung bei einer Borrelieninfektion gewährleistet werden kann. Wichtig: für diese genetische Untersuchung ist eine Einwilligungserklärung nach dem Gendiagnostikgesetz erforderlich.
Weitere Informationen entnehmen Sie der entsprechenden Laborinformation HLA-Merkmale bestimmen genetische Erkrankungen.
Eine häufige Komplikation postakut fortschreitender und chronischer Borrelieninfektion ist der Befall des Nervensystems. Hierbei können sowohl peripheres wie auch zentrales Nervensystem (ZNS) betroffen sein. Diese Komplikationen werden als Neuro-Borreliose bezeichnet. Sinnvolle Laboruntersuchungen benötigen immer die parallele Entnahme einer Blut- und einer Liquorprobe. Erst der Vergleich zwischen den Ergebnissen beider Körpermaterialien erlaubt eine qualifizierte Aussage.
Details werden im separaten Schwerpunktthema Neuroborreliose dargestellt.
Nicht jede Zecke ist mit Borrelien oder Erregern der Ko-Infektionen infiziert, und nicht jeder Stich führt zu einer Erregerübertragung. Bereits im Vorfeld nach Zeckenstich kann man sich aber Klarheit verschaffen, ob überhaupt ein Borreliose- oder Ko-Infektions-Risiko besteht.
Hierzu dient der direkte Nachweis der Borrelien und anderer Erreger in der Zecke, die man nach der Entfernung aus der Haut sicherstellen und ins Labor schicken kann. Mit Hilfe der PCR, einem molekularbiologischen, hochsensitiven Labortest, werden alle relevanten Borrelienspecies und die wichtigsten Ko-Infektionserreger sicher erkannt. Ein negatives Ergebnis schließt damit ein Infektions-Risiko mit hoher Sicherheit aus.
Im positiven Fall müssen die näheren Umstände individuell abgewogen werden, um das weitere Vorgehen zu entscheiden: Abwarten und beobachten, Blutuntersuchungen oder vorbeugende antibiotische Behandlung. Wir beraten Sie gerne persönlich, wenn Sie Informationen wünschen.
> zum Schwerpunkt Zeckenschnelltest
Die antibiotische Behandlung ist das Hauptstandbein der kausalen Therapie. Je nach Stadium der Infektion gelten unterschiedliche Empfehlungen. Ein europäischer Expertenkonsens ist die Basis für folgende Empfehlungen:
Drug | Route | Dose | Duration | |
Adults | Children | |||
Erythema migrans* and borrelial lymphocytoma† | ||||
Doxycycline‡ | Oral | 2 x 100 mg | age-restricted use‡ | 14 days (10–21 days) |
Amoxicillin | Oral | 3 x 500–1000mg | 25–50 mg/kg | 14 days (10–21 days) |
Cefuroxime axetil | Oral | 2 x 500 mg | 30–40 mg/kg | 14 days (10–21 days) |
Penicillin V | Oral | 3 x 1.0–1.5 Mio | 0·1–0·15 Mio/kg | 14 days (10–21 days) |
Azithromycin† | Oral | 2 x 500 mg 1 x 500 mg | 20 mg/kg 10 mg/ kg | First day Next 4 days |
Neuroborreliosis# | ||||
Ceftriaxone§ | iv | 2 g | 50–100 mg/kg | 14 days (10–30 days) |
Penicillin G | iv | 20 Mio | 0·25–0·5 Mio/kg | 14 days (10–30 days) |
Doxycycline‡ | Oral | 2 x 100 mg or 200 mg | age-restricted use‡ | 21 days (14–30 days) |
Arthritis (intermittent or chronic) and cardioborreliosis§ | ||||
Doxycycline‡ | Oral | 2 x100 mg | age-restricted use‡ | 21 days (14–30days) |
Amoxicillin | Oral | 3 x 500–1000 mg | 25–50 mg/kg | 21 days (14–30 days) |
Ceftriaxone§ | iv | 2 g | 50–100 mg/kg | 21 days (14–30 days) |
Acrodermatitis chronica atrophicans | ||||
Ceftriaxone§ | iv | 2 g | 50–100 mg/kg | 21 days (14–30 days) |
Doxycycline‡ | Oral | 2 x 100 mg | age-restricted use‡ | 21 days (14–30 days) |
Amoxicillin | Oral | 3 x 500–1000 mg | 25–50 mg/kg | 21 days (14–30 days) |
*Treatment for multiple erythema migrans (secondary, relapsing EM) as for acute neuroborreliosis
†Azithromycin is primarily considered as an alternative treatment for children and pregnant or breast-feeding women who are allergic to penicillin.
‡Doxycycline should not be used in children younger than 8 years (12 in some countries) or in pregnant or breastfeeding women.
#Use of doxycline is usually restricted to early neuroborreliosis. For late neuroborreliosis parenteral treatment for 2 to 4 weeks is recommended.
§Other third-generation cephalosporins such as cefotaxime are also effective.
Quelle: European concerted action on Lyme Borreliosis (http://www.eucalb.com/), Stand 08/2015
Empirische Maximalregimes für "verzweifelte Fälle":
Kausale Therapie (Eradikation)
- Hochdosis Ceftriaxon (4g/Tag für 14 – 21 Tage)
- Cefotaxim 3 x 4g i.v. an einem Tag, 6 Tage Pause, Wiederholung für 10 Wochen
(D. Hassler, Lancet 1991) - Zusätzliche Gabe eines ß-Laktamase-Hemmers (Sulbactam) zur Cephalosporin Therapie
(R. Gasser, Microb Drug Resist 1995)
Symptomatische Therapie
- Glukokortikoide intraartikulär
- Radiosynovioorthese
- Synovialektomie
- DMARDs (Sufasalazin, Methotrexat)
Für Kinder, Schwangere und bei Allergien gelten besondere Regeln.
Ergänzend sind aber auch symptomatische Maßnahmen von großer Wichtigkeit, etwa um Entzündungen und Fieber zu unterdrücken bzw. die manchmal pathologische Aktivierung des Immunsystem einzudämmen. Auch eine begleitende, psychische Stärkung ist von Nutzen.
Die vorbeugende Behandlung in Form der Chemoprophylaxe nach Zeckenstich ist umstritten und wird kontrovers diskutiert. Sie erfordert eine Abwägung der Umstände im Einzelfall und wird nicht als automatische Regel für jeden Zeckenstich empfohlen!
(Guidelines from the Infectious Diseases Society of America, Wormser et. al, Clin. Infect. Dis. 2000)
Andererseits ist eine Einzeldosis Doxycyclin 200mg innerhalb von 72h nach Zeckenstich effektiv in der Verhinderung eines Erythema migrans (1/235 Pat. vs. 8/247 Pat.), aber Cave: Nachbeobachtung 6 Wochen!
(Prophylaxis with single-dose Doxycycline for the prevention of LD after an ixodes scapularis tick bite, Nadelmann et al., N. Engl. J. Med. 2001)
Weitere Informationen
Laborbereiche:
Laborinformationen:
Lyme-Borreliose
LTT und CD57-Nachweis zur Diagnostik der Lyme-Borreliose
HLA-Merkmale bestimmen genetische Erkrankungen
Literatur
Borreliose Wissen aktuell
Nr. 17 Februar 2008, Borreliose FSME Bund Deutschland
Borreliose Wissen aktuell
Nr. 17 Februar 2008, Auszug HLA-Merkmale
Ansprechpartner
bei medizinisch-fachlichen Fragestellungen:
Dr. med.
Andreas
Gerritzen
— Facharzt für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie —
Tel.: +49 (0)421 2072-108
E-Mail schreiben